„Von guten Mächten treu und still umgeben …“

Die Zeile von Dietrich Bonhoeffer ist ein Ausdruck des Vertrauens und der Zuversicht in äußerst prekärer Zeit. Er schrieb das Lied im Dezember 1944 in einem Berliner Gefängnis, wenige Monate vor seiner Ermordung, die von Adolf Hitler selbst befohlen wurde. Und nicht nur Bonhoeffers persönliche Lage war aussichtslos - die gesamte Situation war verheerend. Dennoch hatte Bonhoeffer die Kraft, die Fantasie und den Mut, dieses Lied zu dichten, er wusste, dass das alles so nicht bleiben würde. Er dachte und betete, dichtete und sang gegen die die Unterdrückung an – und dies taten viele Menschen an vielen Orten, und sie tun es heute. Nicht nur sich selbst und die ihm nahe Stehenden hat Dietrich Bonhoeffer mit diesem Lied Mut gemacht und Stärkung gegeben. Es ist – neben anderen – zu einem der bekanntesten Hoffnungslieder geworden, die wir heute kennen. Diktatoren und andere Menschenverächter in aller Welt wissen um die Kraft solcher Lieder – und fürchten sie.

Kultur heißt so viel wie bebauen, pflegen oder „veredeln“. Ursprünglich aus der Landwirtschaft stammend, ist der Begriff für uns untrennbar mit Bildung, Musik, Kunst und Theater verbunden. Die Kultur in all ihren Erscheinungs- und Gestaltungsformen eröffnet uns die Möglichkeit, die Realität zu be- und verarbeiten. Wir nutzen dazu Klänge, Bilder, Erzählungen und Fantasien. Sie befreien uns, helfen uns, die Welt, die Wirklichkeit und unser Verhältnis dazu zu beschreiben, Ereignisse und Entwicklungen zu verstehen, zu kommentieren, Stellung zu beziehen und Alternativen zu suchen. Eine Gesellschaft ohne Kultur ist nicht überlebensfähig. Die Kultur schafft den Freiraum, ohne den wir ersticken würden.

Wir haben eine andere Situation, als Bonhoeffer sie erlebt hat. Dennoch: Gerade jetzt kämpfen wir mit ähnlichen Erscheinungen, die damals zur Katastrophe führten, es gibt immer mehr Zeichen dafür, dass die vermeintlich dauerhafte gesellschaftliche Stabilität, 

in der wir uns seit Jahrzehnten eingerichtet haben, sich immer mehr auflöst, unser aller Leben immer unberechenbarer wird. Von zu vielen „Verantwortlichen“ werden destruktive Ideologie, verblendende Demagogie und das einseitige Durchsetzen von Partialinteressen zum Maßstab gemacht.

Die allgegenwärtig sich spaltenden und global verkomplizierenden Gesellschaften brauchen für eine bessere, an humanen Grundsätzen orientierte Entwicklung mehr denn je die Kultur. „Wer Musikschulen schließt, gefährdet die innere Sicherheit“, so hatte der ehemalige Innenminister Otto Schily völlig richtig erkannt. Wir brauchen mehr klare und vollständige politische Analyse, insbesondere aber mehr Bildung, Spiel, Kunst, Musik und Theater. Menschen müssen kreativ sein dürfen, Instrumente spielen lernen, sich im Tanz ausdrücken, Dinge betrachten, Veranstaltungen besuchen. Kultur stärkt soziale Kompetenz und gesellschaftlichen Zusammenhalt, verbessert unser aller Leben. Wenn wir die Welt und uns schützen - gar retten wollen, müssen wir die Kultur zuallererst mit schützen, sie absichern und fördern. Jede Investition in Kultur bietet zusätzliche Überlebenschancen. Nur so können wir bewahren und immer wieder neu erarbeiten, was Wurzel und Voraussetzung für jede Demokratie ist: Gerechtigkeit und Solidarität.

Das breit gefächerte Programm der Kulturkirche St. Stephani Bremen versteht sich als ein Beitrag dazu. Kultur verbessert die Welt. Helfen Sie uns dabei, nehmen Sie teil, machen Sie mit. Besuchen und unterstützen Sie uns. Herzlich willkommen.

„… und mit Euch gehen in ein neues Jahr“

 

 

Tim Günther, Musikdirektion